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Der Journalist als Produzent. Publizistische Autorschaft in der Zwischenkriegszeit

Literarische Welt

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Workshop 24.-25. März 2022

Organisiert von Jürgen Brokoff (Berlin), Carolin Duttlinger (Oxford) und Daniel Weidner (Halle) in Kooperation mit dem Walter-Benjamin-Archiv der Akademie der Künste 
im Rahmen des Projekts „Walter Benjamins Publizistische Netzwerke“

Moderne Autorinnen und Autoren sind vom Journalismus abhängig. Spätestens mit der Etablierung der Literaturkritik im 19. Jahrhundert brauchen Autoren Rezensenten, und seit dieser Epoche schreiben sie auch selbst zunehmend in publizistischen und feuilletonistischen Formen. Die Beziehung wird im 20. Jahrhundert noch enger, dabei aber auch komplexer und spannungsreicher. In der klassischen Moderne und insbesondere in der von wirtschaftlichen und politischen Krisen geprägten Zwischenkriegszeit gibt es einen regen Austausch zwischen der (Hoch- und Populär-)Literatur und dem Leitmedium Zeitung; in Deutschland, wo das Vorurteil der “Dichter” gegen den dem Tag verfallenen Journalisten stark ausgeprägt ist, verläuft dieser Austausch besonders spannungsreich aber auch produktiv. Der Workshop diskutiert die methodischen und medialen Herausforderungen dieser Konstellation an historischen Fallbeispielen.

Die Medienlandschaft der Weimarer Republik gehört nach wie vor zu den reichsten und interessantesten Phänomenen der literarischen, kulturellen und gesellschaftlichen Moderne. Neben dem hochentwickelten Feuilleton der Tagespresse entsteht eine Zeitschriftenpublizistik, in deren wichtigsten Organen wie der Weltbühne, der Neuen Rundschau, der Literarischen Welt etc. die zentralen AutorInnen der Moderne einen Großteil ihrer Texte (erst-)veröffentlichen. Die permanente Krise der Republik führt zu einer höchst intensiv geführten Debatte über deren Legitimität, insbesondere über die Interpretation der deutschen Geschichte und Kultur, über die Rolle der Öffentlichkeit und über entsprechende Formen und Foren literarischen bzw. publizistischen Ausdrucks. In diesen Debatten werden zentrale Diskurse der literarischen Moderne ebenso wie zentrale gesellschaftstheoretische Fragen intensiv, kontrovers, innovativ und höchst vielfältig diskutiert: Neben der Klage über Informationsüberflutung und über den Verfall und die zunehmende Polarisierung der Öffentlichkeit findet sich dabei auch Lob der Diversität und des Heterogenen und eine programmatische Ästhetik des Nebeneinander, neben Kulturkritik auch ein Nachdenken über Aktualität, das mediale und politische Aspekte miteinander verbindet. Durchgängig wird nach neuen Ausdrucksformen gesucht und sich mit neuen Medien wie der Photographie und dem Kino auseinandergesetzt, inklusive der Versuche diverser Avantgarde-Zeitschriften, Schrift und Bild auf neue Weise miteinander zu verschränken.

Für den Workshop dient die Weimarer Publizistik Walter Benjamins als Ausgangspunkt der Diskussion. Er schließt einen Workshop über “Walter Benjamin’s Journalistic Networks” vom November 2020 an; die Zwischenergebnisse des dort diskutierten digitalen Projekts “Walter Benjamins Publizistik: Text und Kontext” werden jetzt vorgestellt. Das Ziel des Projekts ist allerdings explizit nicht, Benjamins publizistisches Schreiben im Sinne einer Autorpoetik zu rekonstruieren, wie das in der Forschung schon mehrfach getan worden ist. So verdienstvoll und nützlich das auch ist, wir glauben, dass die methodischen und theoretischen Herausforderungen publizistischen Schreibens weiter gehen und nicht mehr allein auf der Ebene von Autorschaft zu beantworten sind. Tatsächlich haben sich in der Beschäftigung mit Zeitungen und Zeitschriften einige Trends herauskristallisiert, die jüngst auch für die Literaturwissenschaft bedeutsam geworden sind: etwa das Interesse an Serialität, an der Materialität medialer Kommunikation, an Denkkollektiven und -stilen und an intellektuellen Netzwerken. Diese Herausforderungen will der Workshop an problemorientierten Fallstudien herausarbeiten und neue Formen möglichen Umgangs mit ihnen diskutieren.

Programm

Veranstaltungsort:

24. März:  Walter-Benjamin-Archiv (AdK), Luisenstraße 60, 10117 Berlin

25. März:  Freie Universität Berlin, Seminarzentrum, Silberlaube (Erdgeschoss), Otto-von-Simson-Str. 26, 14195 Berlin-Dahlem, Raun L115

Teilnahme nur nach voriger Anmeldung:

24. März

10-10:30 Einführung Carolin Duttlinger, Daniel Weidner

10:30-12:30
Hans Jakob Ziemer:
„Wie wir Journalisten wurden:“ Zur Konstruktion der journalistischen Personae in den 1920er Jahren

Kevin Drews:
"Polarität als Schlüssel"? Zeitdiagnose und Rezension bei Benjamin

12:30-14:00 Mittag

14-16:00
Heinrich Kaulen
Mehrfachverwertung.Medientransfer und Multitasking am Beispiel Walter Benjamins

Daniel Weidner
"Vielfältiges, umfassendes Rohmaterial, ordentlich aufgeschichtet“. Die Literarische Welt im September 1926

16:30-18:30
Matthew Handelman:
"Benjamin in the Networks of the Frankfurter Zeitung."

Vorstellung Zwischenergebnisse.
Benjamin’s Journalism – Text & Context

25. März

10-12:00
Jürgen Brokoff:
Journalistisches Schreiben als künstlerische und publizistische Intervention um 1930

Carolin Duttlinger
Einheit und Differenz: Benjamins Austellungsrezensionen im Kontext der Zeit

12:30-13:30
Tom Vandeputte:
Die Erste Zeitung: Walter Benjamin zu Karl Kraus

14:30-17:00
Meindert Peters:  
Benjamin in/and i10

Sophia Buck
Journalistische Form. Walter Benjamin als Produzent einer Europa-Kritik

Schlussrunde: Next Steps?

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