Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

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Dr. Jakob Christoph Heller
Germanistisches Institut

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Aktuelle Forschungsprojekte

Sakrament und Figura. Katholische Modi des Darstellens und Verstehens in der Romantik

Das Projekt geht davon aus, dass die produktions- und rezeptionsästhetischen Implikationen des Katholizismus entscheidend für die romantische Faszination mit der Konfession sind. Katholische Modi des Darstellens und Verstehens werden von der Romantik rezipiert und in ihre Konzepte von Poetologie und Hermeneutik übertragen. Zwei Konzepte aus der katholischen Theologie sind, so will das Projekt nachweisen, zentral in dieser Übertragung: das Sakrament und die Typologie. Entlang der sakramentalen Realpräsenz und der Konzeption des Künstlers als Werkzeugursache denkt die Romantik die Produktion von Kunstwerken. Das typologische Schema dient ihr auf Ebene der Produktionsästhetik als Strukturprinzip literarischer Texte, die figura als rhetorisches Mittel. Auf rezeptionsästhetischer Seite wird die Typologie zum hermeneutischen Grundverfahren der romantischen Kunstkritik und Geschichtsschreibung.

Ludwig Tieck: Novellenkranz. Ein Almanach auf das Jahr 1832 (Editionsprojekt)

Editionsprojekt, gemeinsam mit Christian Schmitt (Oldenburg).

Ludwig Tieck, dessen Geburtstag sich im Jahr 2023 zum zweihundertfünfzigsten Mal jähren wird, gehört seit langem zu den kanonischen Autoren der deutschen Literatur. Bekannt ist Tieck heute vor allem für seine Kunstmärchen und frühen Dramen, in denen sich die ästhetischen Postulate der Frühromantik in exemplarischer Weise umgesetzt finden. Heutzutage weniger bekannt sind die zahlreichen Novellen des Autors, die zwischen 1821 und 1840 in Dresden entstanden, wo Tieck als Dramaturg des Hoftheaters wirksam war. Tieck erweist sich in dieser Zeit als produktiver Vielschreiber, der populäre Medien für seine Zwecke zu nutzen weiß: Die rund vierzig Novellen erscheinen in Taschenbüchern, Kalendern und Almanachen. Breitenwirksam sind die Texte noch in einer anderen Weise, greifen sie doch auf Muster und Erzählverfahren der Unterhaltungsliteratur zurück, die Tieck bereits in jungen Jahren eingeübt hatte. Dass die Texte von der Literaturwissenschaft bisher selten untersucht worden sind und nur vereinzelt in modernen Leseausgaben vorliegen, ist auch dieser Nähe zur Unterhaltungsliteratur geschuldet. Dieser ‚vergessene‘ Tieck hat viel zu bieten: Die Texte blicken selbstkritisch auf das romantische Projekt zurück und entwickeln dieses zugleich weiter; sie experimentieren mit der von Tieck auch theoretisch reflektierten Novellenpoetik; und sie zeichnen satirische Zeitpanoramen, die die Abgründe der vormärzlichen Gesellschaft ebenso kritisch in den Blick nehmen wie die politischen Strömungen der Zeit und die Bedingungen des Literaturmarkts.

Höchste Zeit also, den unterhaltsam-politischen Tieck wiederzuentdecken: Die geplante Ausgabe präsentiert den von Tieck herausgegebenen Novellenkranz. Ein Almanach auf das Jahr 1832, der die beiden Novellen Der Jahrmarkt und Der Hexen-Sabbath enthält. In je unterschiedlicher Weise präsentieren sich die beiden Novellen als Kommentar zur Zeitgeschichte, Fortsetzung der Auseinandersetzung mit der Romantik und Kritik an politisch-religiösem Fanatismus. Die Ausgabe präsentiert die Novellen in ihrem Ersterscheinungskontext: Gerahmt von Kupfern und Erklärungen wird der Almanach als Publikationsmedium für Unterhaltungsstoffe und in seinen Einbindungen in verschiedene (auch intermediale) Verwendungsformen sichtbar. Ergänzt wird die Ausgabe von einem Nachwort; Anmerkungen zu den Texten helfen dabei, die Zeitbezüge einzuordnen.

Literarische Exerzitien. Ethische Textpraktiken in der Moderne (1800–2000)

Konferenz (Warburg-Haus Hamburg, 28.-30.06.2023), gemeinsam mit Carolin Rocks (Hamburg). Förderung durch die Fritz Thyssen Stiftung.

Literatur ist kein Selbstzweck, sondern steht im Zeichen, vielleicht sogar im Dienst eines guten Lebens. Die Tagung Literarische Exerzitien. Ethische Textpraktiken in der Moderne (1800–2000) re-evaluiert das Verhältnis von Ästhetik und Ethik in der Moderne, indem sie literarische Formen und Gattungen untersucht, die durch Heteronomie gekennzeichnet sind: Gebet, Litanei, Meditation oder Exerzitium sind streng geordnete Praktiken und Textsorten, die auf repetitive Verwendungsweisen angelegt sind, und dies sowohl für die Produzent:innen als auch für die Rezipient:innen. Sie zielen gerade in diesen Wiederholungen auf Subjektivierung: Betend, meditierend, übend bildet sich, das mag auf den ersten Blick überraschen, auch das moderne Selbst.  Dieser Befund steht quer zum Paradigma der auf Originalität, Formexperiment und Selbstreferenz setzenden Kunstautonomie, die als profilbildend für die Moderne gilt.

Die Tagung konturiert mit diesem Fokus das heteronomieästhetische und gleichermaßen das ethische Profil der Moderne: Welche dem Gattungswissen impliziten, die Struktur der Texte bestimmenden oder in ihren Kontexten etablierten Wiederholungs-, Dramatisierungs- und Übungsmuster realisieren die literarischen Beichten, Losungen oder Litaneien? Wie bringen sie diese affirmierend, transformierend, prozessierend zur Darstellung? Welches rhetorische Repertoire kommt dabei zum Einsatz und wie lassen sich Innovation, Kreativität, Virtuosität aus der Spannung von formaler Norm und künstlerischer Freiheit heraus denken? Und wie genau wird hier eine Literatur in den Dienst eines ‚guten Lebens‘ gestellt? Welche wirkungsästhetischen Profile werden dergestalt erschrieben?

Figuren der Endlichkeit in der Europäischen Romantik

Konferenz (21.-23.04.2022) und Sammelband, gemeinsam mit Erik Martin (Frankfurt/Oder) und Sebastian Schönbeck (Bielefeld). Förderung durch die Fritz Thyssen Stiftung.

Die Konferenz und der geplante Sammelband untersuchen Figuren der Endlichkeit in der europäischen Romantik. Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass Figuren des Letzten – letzte Menschen (J.-B. Grainville: Le dernier homme (1805); M. Shelley: The Last Man (1826)), letzte Dinge (I. Kant: Das Ende aller Dinge (1794)) – in der Romantik ein spezifisches Endlichkeitsbewusstsein artikulieren.

Die einsetzende romantische Reflexion der Endlichkeit, die sich synchron mit den zeitgenössischen Diskursen über die Begrenztheit von Ressourcen ausbildet, stellt dabei den Beginn einer genuin modernen Erfahrung dar. Die Verzeitlichung wird um 1800, so die Grundthese, vor allem verhandelt und reflektiert an poetologischen und philosophischen Figuren der Endlichkeit, des Letzten und des Verbrauchbaren.

Wenn die Konferenz etwa das Fragment, die Ruine oder die „Denkmäler der alten Zeiten“ (F. Schiller) als Figurationen einer Reflexion der Endlichkeit erneut in den Blick nimmt, dann schärft und ergänzt sie zugleich klassische Elemente der Epochenkonstruktion der Romantik, welche bislang vorwiegend mit Begriffen wie Entgrenzung, Potenzierung und Unendlichkeit oder mit einem Fokus auf Gegenwart, Jetztzeit und Augenblick in Verbindung gebracht wurde.

DFG-Netzwerk „Politiken der Idylle“

Leitung: Jan Gerstner (Bremen), Homepage des Netzwerks   

DFG-Netzwerk „Aktuelle Perspektiven der Romantikforschung“

Leitung: Frederike Middelhoff (Frankfurt/M.), Link zur Projektbeschreibung.   

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